Johan Driessen hat im Kanupolo so ziemlich Alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Dass das abseits der Öffentlichkeit passiert, nimmt er locker.
Er ist mehrfacher deutscher Meister, amtierender Europameister, Vizeweltmeister und Goldmedaillengewinner bei den World Games. Kurzum: Er gehört zu den besten Sportlern Deutschlands. Gestatten: Johan Driessen. Noch nie gehört? Das mag daran liegen, dass der Essener seine Titel nicht in Stutzen und Stollenschuh auf grünem Rasen oder mit Schläger auf dem Tennisplatz gewinnt, sondern: beim Kanupolo.
„Handball auf dem Wasser“ oder „Wasserball in Booten“, so versucht es Driessen dem Laien verständlicher zu machen. Der 28-Jährige spielt beim Kanusportverein Rothe Mühle Essen. Im September verteidigte er mit dem Bundesligisten den Deutschen Meistertitel. Seitdem lässt der Doktorand seine Vereinskleidung im Schrank. Saisonpause. Gleich Trainingspause ist das aber nicht.
Träger des silbernen Lorbeerblatts
Konditions- und Krafttraining sind für den großgewachsenen Leistungssportler in der kalten Jahreszeit ein Muss. Mindestens dreimal in der Woche. Dazu kommen bei passender Wetterlage noch vier Einheiten auf dem Wasser. Insgesamt kommt er damit auf 14 bis 18 Stunden Training in der Woche. Schließlich braucht man viel Kraft und Technik für Kanupolo. Eine Schinderei, die er nun schon mehr als 15 Jahre für seinen Sport durchzieht. Und von der seine kräftige Statur erzählt. Dass seine großen Erfolge auf diesem Weg kaum Beachtung in der Öffentlichkeit finden? Für ihn so gut wie egal.
Ein Beispiel für Driessens gelassene Sicht auf die Dinge: Der "Weltklasse-Randsportler" erhielt 2013 für das Gold bei den World Games in Kolumbien das silberne Lorbeerblatt aus den Händen des Bundespräsidenten Joachim Gauck. Wie auch die deutschen Fußball-Weltmeister im letzten Sommer. Der Unterschied: Bei Jogis Jungs blickte die ganze Welt auf die Verleihung. „Bei uns hat das niemanden so richtig interessiert“, erinnert sich Driessen. „Ich find’ das witzig.“ Er nimmt’s mit einem Schmunzeln.
Maximaler Einsatz, minimaler Ertrag
Gerade weil er von seinem Sport so überzeugt ist. „Menschen, die das erste Mal Kanupolo sehen, schauen für gewöhnlich länger als nur ein paar Minuten zu“, meint Driessen. Große Dynamik bringe der Sport mit. Und spektakulär sehe er allemal aus. „Wenn jemand mal ein Paddel ins Gesicht bekommt, kann das im ersten Moment ganz schön robust wirken.“ Aber dafür gibt’s ja Schutzkleidung. Eine Partie dauert zweimal zehn Minuten. „Das Spiel ist extrem schnell und fordert maximalen Krafteinsatz. Länger zu spielen, wäre da einfach nicht drin“, meint Driessen. Maximaler körperlicher Einsatz für minimalen finanziellen Ertrag. Oder besser: für gar keinen Ertrag. „Geld verdiene ich mit dem Sport nicht“, sagt Driessen. An die 2000 Euro kosten Kanu plus die richtige Ausrüstung. Als Nationalspieler bekommt er immerhin schon mal Rabatt oder gesponsortes Equipment. „Man ist da froh, wenn man mit Null rausgeht.“
Langweilig wird mir nicht
Im Mai wird’s wieder ernst: Bundesliga-Saisonstart für Driessen und seine Kollegen bei Rothe Mühle. Bis dahin: Kraft- und Konditionstraining, Übung auf dem Wasser, Trainingslager und Turniere – manche auch im Ausland. Alles in allem sind in Driessens Jahr über 20 Wochenenden für Kanupolo reserviert. Genauso wenig Zeit, wie sein Sport im Fokus der breiten Masse genießt, bleibt einem Topsportler eben zum Entspannen. Doch davon lässt sich Driessen nicht verrückt machen: „Langweilig wird mir bestimmt nicht“, sagt er. Mit einem Lächeln.
Jonah Lemm / derwesten.de